HdK Berlin: Erich Fromm-1
Nicht mehr 'wachsen' oder 'nicht wachsen', nicht mehr 'Haben oder Nicht-Haben 'ist hier die Frage, sondern ' Sein oder Nicht-Sein'. Die Neue Gesellschaft kann keine Synthese oder Alternative für bereits bestehenden Gesellschaftssysteme sein. Sie muß etwas wirklich Neues darstellen.
Aber wenn eine solche Neue Besellschaft in unserer Gegenwart nicht vorhanden ist, gäbe es dann vielleicht Tradtionen innerhalb der abendländischen Kulturgeschichte, an die man anknüpfen könnte? FROMM fand solch Anknüpfungspunkte im Christentum des frühen Mittelalters. Dort fand er die Grundlagen für ein neues Gesellschaftssystem und einen neuen Menschen. Bevor ich aber darauf eingehe, möchte ich noch zwei Definitionen einfügen, die für das weitere Verständnis wichtig sind: 1.) Religion ist nach FROMM jedes von einer Gruppe geteilte Systems des Denkens, des Handelns, das dem Einzelnen einen Rahmen der Orientierung und ein Objekt der Hingabe bietet. Insofern kann es keine Frage geben: Religion oder oder keine Religion,s ondern nur welche Art von Religion? Auch die Weltanschauungen der Naturwissenschaft, des Marxismus und des Hedonismus sind demnach Religionen. -2.)Unter Gesellschafts -Charakter versteht FROMM die Wechselbeziehung zwischen der Charakterstruktur eines durchschnittlichen Individuums einer Gesellschaft und der sozio-ökonomischen Struktur dieser.
Im 13. Jahrhundert hatte das Christentum seine Blütezeit. Die Schriften eines Mystikers wie Meister ECKHART drücken ein tiefes christliches Verständnis des Lebens aus. Nach dieser Blütezeit kehrte Europa wieder mehr und mehr zu den vorchristlichen, heidnischen Strömungen zurück. Von der Effektivität seiner technokratischen und naturwissenschaftlichen Intelligenz verführt wurde das Abendland zum Eroberer der restlichen Welt. Als solcher verhielt es sich eher wie die Helden der germanischen und griechischen Sagen, die alle Eroberer waren. Auf jeden Fall hatte es sich von den Märtyrern des Mittelalters entfernt, deren Maxime nicht besitzen und herrschen war, sondern teilen und lieben. Die Wurzel des christlichen Glaubens, Jesus Christus,gab sein Leben für andere. Er verkörperte die Existenzweise des Seins. Die Helden der heidnischen Religionen die Existenzweise des Habens.