Es gibt zwei Möglichkeiten, die man gegenüber der Gegenwart einnehmen kann:, Entweder akzeptiert man sie zunächst einmal so wie sie ist oder aber man lehnt sie ab und setzt an ihrer Stelle eine Utopie. Diese Utopie wiederum kann entweder aus einer vergangenen Epoche stammen oder sich aus einer mit Notwendigkeit ergebenden Entwicklung der Gesellschaft legitimieren. Das letztere wäre im Marxismus der Fall, denn für ihn liegt das Ziel der Geschichte nicht im konservieren einer Epoche der Vergangenheit oder der Gegenwart. Alles, was ist und bisher war, ist ein notwendiges Durchgangsstadium zur Erfüllung der Utopie. Die Blüte des Kapitalismus ist nicht die Niederlage dieser Utopie, sondern ihre Voraussetzung, da die Blüte des Kapitalismus seiner Niederlage vorausgeht. Umgekehrt ist es dagegen in einer

' konservativen ' Utopie. Mit jedem Fortschritt der Gesellschaft entfernt diese sich nur noch um so weiter von der Utopie. Die Utopie bei KLUGE ist eine solche ' konservative ' Deutung der Gegenwart. Beiden Formen der Utopie ist gemeinsam, dass sie die Gegenwart abwerten. Dies trifft für KLUGE zu. Er lebt nicht in der Gegenwart, sondern in der Vergangenheit. Kein Wunder, dass er in seiner 'konservativen ' Utopie jeden Fortschritt pessimistisch betrachtet.Das Fernsehen zerstört unsere Bindung zur Realität, indem es uns eine Ersatzwelt der Lust bietet. Diese Entfremdung führt zur Isolation: Der erhöhte Medienkonsum entspricht der reduzierten Kommunikation zwischen den Menschen. Menschen die entfremdet sind können nicht die Grundpfeiler einer Demokratie sein (Siehe a). Das Fernsehen fördert die Entfremdung auch durch die sensorische Deprivation (Ein vom Medienkrtitiker JERRY MANDER geprägter Begriff): Das Fernsehen erzählt keine zusammenhängende Geschichten mehr. Es bietet nur Desorientierung durch zerrissene Kontexte. Jede Fernsehgeschichte ist austauschbar, ist ein Wegwerf-Produkt. Menschen,die jene Zusammenhangslosigkeit des Fernsehens internalisieren, werden ihr Leben ebenso künstlich und ohne Zusammenhang erleben. Außerdem warnt PIPER vor einer Verkümmerung der sprachlichen Fähigkeiten, da die verbale Sprache in den audiovisuellen Medien zurückstecken muß. Die unkrontollierte Kommerzialiserung der elektronischen Medien wird keinswegs zu einer pluralistischen Vielfalt der Angebote führen. Dies ist nur die Oberfläche! Darunter wird das genaue Gegenteil zu finden sein: Eine zunehmende Monopolisierung der Meinungen und Informationen durch eine multinationale Medienindustrie. Hollywood wird das Zentrum dieser Medien-Industrie sein und damit wird die Veramerikansisierung unserer Kultur einsetzen. Die einsetzende Nivellierung und Konzentration wird jede wirkliche Kreativität beschneiden wie jede Meinungsvielfalt durch die Zensur der steigenden Kosten zerstört wird. Das, was auf Filmrollen und Magnetbändern gespeichert ist, wird zu einem Produkt, das genauso (multinational) vermarktet wird wie alles andere auch. NEIL POSTMAN: Wir amüsieren uns zu Tode. Wir werden gelenkt durch die Sucht nach Vergnügen, dass uns die neuen Medien in größerer, schönerer und perfekterer Form bieten werden. Die Menschen werden eine Regression durchmachen von dem mündigen Bürger einer Demokratie zu einem isolierten Hedonisten hin. Er verweist dabei auf den Humanethologen IRENÄUS EIBL-EIBESFELDT, der ebenfalls vor einer Lenkung der Gesellschaft durch Konsum und die Abhängigkeit davon warnt. Die USA, die uns in so vielen Dingen ein Vorbild sind, müssen in diesem Punkt als besonders schlechtes Beispiel gelten. Mit einen Hinweis auf NEIL POSTMAN ("Wir amüsieren uns zu Tode ") beklagt PIPER, dass in den USA sämtliche Dinge des öffentlichen Lebens als Unterhaltung dargeboten werden. Aber wenn das politische Leben eines - scheinbar - demokratischen Landes von dem Aussehen seiner Politiker abhängt, dann darf man

eine solche Demokratie auch nicht ernster nehmen als die politische Aussagekraft einer Las-Vegas-Show.


BIBLIOGRAPHIE

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LORENZ, Konrad. Die acht Todsünden der zivilisierten

Menschheit. München/Zürich:Piper Verlag, 1973.

MANDER,Jerry.Schafft das Fernsehen ab. Hamburg/Reinbek: Rowohlt, 1981

METZ,Christian.Sprache und Film. Frankfurt:Athenäum Verlag, 1973.

POSTMAN, Neil. Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt:

Fischer Verlag, 1985.

SCHELSKY ,Helmut. Die Arbeit tun die anderen. München:

Deutscher Taschenbuch Verlag, 1977.