Dissertation


b)

Wenn man das bisher Gesagte zusammenfasst, wie ließe sich dann eine Oberfläche charakterisieren, die zu einer Verstärkung von Kreativität fähig ist? Welche Strukturen müßte die Interaktion aufweisen? Ich möchte diese Frage durch ein Gegenbeispiel beantworten, um so zu verdeutlichen, was ich nicht will:

Man stelle sich eine Kreativsoftware vor, die es einem Designer ermöglicht ein Ornament zu variieren. Zusätzlich beinhaltet diese Software noch einen Kreativtrainer, der aus Übungen besteht, wie sie in jedem Buch über Kreativität nachzulesen sind. Der Designer legt die Parameter seines Ornamentes fest, und die Maschine berechnet nach bestimmten Methoden (evolutionäre Optimierungsmethoden, Zellautomaten etc.) die möglichen Variationen. Währenddessen trainiert der Designer als Aufwärmübung seine kreativen Fähigkeiten mit dem anderen Teil der Software. Liegen die Ergebnisse vor, wählt er die besten aus, variiert sie selber und gibt sie dem Kreativprogramm -falls notwendig- zur Überarbeitung wieder zurück. Eine solche Software würde ohne Zweifel die kreative Leistung steigern. Ich behaupte aber, dass es erheblich effizientere Möglichkeiten gibt, als die eben geschilderte. Welche Egenschaften fehlen dieser Kreativsoftware?

Die Ornamente werden nicht in einer wechselseitigen Interaktion (Ergänzungsverfahren) gemeinsam von User und Maschine entwickelt. Die kommunikative Situation steht nicht im Mittelpunkt, sondern die Maschine berechnet ihre Ergebnisse isoliert vom User nach Art einer Rechenmaschine (die Maschine als materialisiertes Kalkül, als graphische Rechenmaschine).

Die Maschine aktiviert nicht das psychischen Potential des Users als konstituierender Teil der Interaktion. Der Kreativitätstrainer und seine Erkenntnisse müssten schon Teil der Struktur der Interaktion selber sein.

Da es keinen Dialog, keine semiotischen Prozesse gibt, die als Ereignis über einen gewissen Zeitraum wechselseitig gesteuert werden, gibt es auch keine Möglichkeit zur Auflösung der SubjektObjekt-Abgrenzung innerhalb der Wahrnehmung. Die Maschine hat auch keine Möglichkeit, sich als Zeichensystem zu präsentieren. Das Interface bleibt weiterhin eine langweilige Ansammlung von Pull-down- oder Pop-up-Menüs auf einem Bildschirm. Die Distanz zur Maschine bleibt erhalten, wodurch die Möglichkeit zur Emotionalisierung verloren geht. Da es keinen semiotischen Prozess gibt, ist es auch unmöglich eine Ambiguität, eine konnotative Bedeutung seitens der Maschine oder seitens des Users zu generieren.